Rhein-Reise mit Schleppboot Zephyr 2019

Köln

Rhein Reise mit Schleppboot Zephyr – Juni 2019

Von Carmen Wili


3. Juni 19 – Zürich-Speyer

Zürich – Basel – Karlsruhe - Speyer, eine flotte Reise! Ankunft in Speyer - ein verschlafenes Kaff , oder was !!?? Vorerst, nur vorerst.

Entspannt platziere ich mich im ruhigen Yachthafen ans Ufer und geniesse die Vorfreude auf den Einlauf des Schleppboots Zephyr. Während eines Glas Weins sinniere ich über das ruhige Rhein-Wasser und in die menschenleere Stille.

Da läuft er ein, der beeindruckende alte Schlepper Zephyr, manöveriert von den See-Herren Eigner Hans und Käpten - aktuell Matrose - Stefano. Ein rührendes Geschehen. Wellen der Freude durchströmen mich wenn ich Zephyrs seelenvolle Schiffs-Pracht im Kontrast zu den zahlreich um ihn liegenden, alle ähnlich wirkende, modernen Jachten bestaune. Was kann eine noch so erhabene Linssen Yacht bieten neben dem bescheidenen Zephyr. Darf ich ehrlich sein ? - Nichts

Die Herren haben ca. 100 km mit mehreren Schleusen hinter sich. Das wohlverdiente Bier schmeckt heute besonders gut. Sie erzählen mir von ihren Erlebnissen. Der ersten Nacht in Strassbourg, der zweiten in Lahr. Sie erzählen mir von Zephyrs Herz, der 3-Zylinder-Maschine, des einen faulen Zylinders, vom Filter, den man gelegentlich wechseln sollte. Ja, so ein Schiffsherz will gepflegt sein, sogar mehr als ein menschliches. Ohne Herzschlag bewegt sich nichts. Sie berichten auch von einem fast geschehenen Manöver-Malheur an einem Pfahlbündel, einem sogenannten Dalben, den sie fast gerammt haben. Unkonzentriert seien sie gewesen, räumt Hans ein, vom Bettbezug in der Koje hätten sie gesprochen statt sich vollumfänglich auf das Manöver zu konzentrieren.

Das Haupt-Thema bleibt Zephyr. Natürlich redet man auch über andere Schiffe. U.a. Über die schönen Belle Epoque Dampfschiffe auf dem Genfersee, die Stefano und ich gerade erst besucht haben. Insbesondere über das Flagg-Schiff La Suisse. Hans merkt an wie wertvoll die Maschine auf der
La Suisse präsentiert wird. Durch das Fensterglas am Boden kann man sogar noch tiefer in den Herzschlag des Dampfschiffs hinein sehen. Nicht etwa wie bei der Blüemlere auf dem Thunersee. Dort habe man eine nichts nützige Bar neben der Maschine platziert. Wahrlich, denke ich, das
La Suisse hat auch für mich den bisher Top-Rang der Blüemlisalp geschlagen.

Stefano will auswärts essen heute. Für mich eine gefühlte Unmöglichkeit wenn ich die verschlafene Stimmung rund herum hier aufnehme. Hans würde am liebsten einfach seine geliebten ‚Gschwellti mit Chäs‘ essen an Bord. Stefano ist überzeugt, dass wir ein nettes Beizli finden in der Altstadt. Altstadt?? Hä? Wo? Nimmt mich ja Wunder. Wir ziehen los. Stefano überzeugt voran. Hans und ich skeptisch hinter her. Aber dann, tatsächlich um eine weitere Häuser-Reihe herumgezogen, eröffnet sich uns ein herrlicher Blick auf den Speyer-Dom in der Abend-Sonne. ,Lueg‘, sagt Stefano, ,da könnte man unser Zürcher Gross-Münster locker reinstellen.‘ Wir bestaunen den prächtigen Bau der Romantik und die angenehm belebte Stimmung in der Altstadt. Würden wir uns länger als nur eine Nacht hier aufhalten, ginge ich noch ins Museum. Aktuell eine Ausstellung über Marylin Monroe.

Wir setzen uns in den Aussenbereich eines sympathischen Beizlis, essen Fisch, sprechen über unsere Route, über Zephyr und auch über Fotographie. Hans ist heute noch ein leidenschaftlicher Anhänger der nostalgischen Fotographie. 6x6 Rolfilme, Haselblatt, etc. - Hans ist nicht nur ein Profi auf dem Wasser.

Die Nacht - zauberhaft. Die laue Stille senkt sich über den Hafen. Sogar das Wasser schläft. Einfach mal noch schnell allein auf dem Bug verharren und die Ruhe einatmen bevor wir uns dem Schlaf ergeben.



4. Juni 19 – Speyer-Gernsheim

Der Morgen - beseelte Frische. Die Sonne zwinkert uns begrüssend zu. Kaffee, Fotos, Genuss. Ich nehme ein Bad im Rhein. Zephyr verfügt über eine sympathischere Badeplattform als jede andere Yacht hier, nämlich das Ruder! Und als Halt dient die Ruderkette. Perfekt.
Danach einfaches Frühstück. Brot, Konfitüre, Honig, etwas Käse und Salami. Was braucht man noch mehr!
Routenbesprechung. Housis Vorschlag wird abgenickt. Stefano ist zuständig für die Maschine. Strahlend aktiviert er Zephyrs Herzschlag, hört hinein und ist zufrieden. Zephyrs Herz schlägt gesund, und das schon seit 89 Jahren. Da darf auch mal ein Zylinder faul sein. Die zwei anderen gleichen das unterstützend aus.

Wir fahren 60 km Rhein abwärts bis nach Gernsheim. Viel wird nicht geredet. Das Schiff spricht. Ich geniesse die Aussicht auf dem Heck, lasse die Beine sonnenbestrahlen, und schütze die Füsse auf der Heckleine vor der Hitze. Zwischendurch gibt es Prosciutto mit Melone, ab und zu Kaffee. Dazu wird gelesen, fotografiert, geschrieben und dem Schiff zugehört. Schon nach vier Stunden sind wir am Ziel. Ein Yachthafen mit Container-Umlade-Station. Wir geniessen den Apero vor der bunten Container-Kulisse. Danach preparieren Stefano und ich die Klappvelos und gehen einkaufen. Das Highlight der Einkaufs-Tour ist ein lauschiger Biergarten, das alte Fährhaus, direkt am Rhein. Dort gönnen wir uns ein schön grosses Bier.

Zurück an Bord erklärt mir Hans die Kühlanlage der Maschine. Auch noch den Sextant und die gewriggte Ruderanlage. Und er erklärt mir weitere fotografische Tatsachen: Das Streiflicht am Beispiel der Container, die Farbsättigung, die Erkennung der Silouhette bei zusammengekniffenen Augen.

Nach dem Abendessen unterhalten wir uns mit meinem Lieblings-Abendprogramm auf Zephyr - das Openair-Kino. Wir platzieren uns auf dem Heck und legen den wunderbaren Film ‚Zum goldenen Ochsen‘ mit Margrit Rainer und Schaggi Streuli ein. Ein herrliches Filmwerk von 1958 mit viel Berufs-Schifffahrt auf dem Rhein. Stefano und Hans kennen fast alle vorkommenden Schiffe, kommentieren alles. Sie erkennen Schiffe wie den alten Laster Airolo. Und besonders amüsant: Das Lastschiff Glarus. Stefano nimmt Hans hoch: ‚Gsehsch jetzt Housi‘, hetsch halt sölle mit cho is Technik Museum z‘Speyer. Deet hetsch d’Glarus gseh‘. Housi winkt wie so oft elegant ab:
‘ Neiii, i ha se ja gseh im IIsatz, deet in Bingä.‘ Ich unterhalte mich doppelt prächtig - der Film gekrönt mit den Kommentaren der zwei See-Herren


5. Juni 2019 – Gernsheim-Koblenz

Nöd lang blöterlä - abfahre. Wir haben einiges vor heute. Ziel Koblenz. Nach 129 km erreichen wir das Ziel. Schöner Hafen, atemberaubende Kulisse, wunderbare Abendstimmung, herrlicher Sonnenuntergang. Ich koche meine traditionelle Fischsuppe mit Whiskey.
Natürlich wird wieder gefachsimpelt und Wissen ausgetauscht bzw. weitergegeben. Ich erzähle von der Herstellung meiner Cazal und japanischen Brillen. Die Männer reden über Schleusen, u.a. über die Schleuse Ifetsheim die es im 68gi noch nicht gegeben haben soll im Gegensatz zur Schleuse Vogelgrün. Und selbstverständlich kriege ich von Housi wieder eine Lektion auf Papier. Es geht nochmal um den Sextant, den Sonnenstand zu welchen Jahreszeiten, den Aequator, Berechnungstabellen, den OW Punkt (Fix). Im weiteren erklärt er mir das lichtempfindliche Silber bei der Fotografie, das bei der Belichtung schwarz wird und um das nicht belichtete Silber, das sich herauslöst und das daraus entstehende Bild. Gott sei Dank verstehe ich wenigstens das. Um ehrlich zu sein, beim Sextant hab ich bei aller Hirnanstrengung fast nichts verstanden.


6. Juni 19 – Koblenz-Düsseldorf

Koblenz. Abfahrt um 7am. Ziel Düsseldorf. Eine lange Reise. Ca. 160 km. Der Regen von letzter Nacht hat abgekühlt und es ist bewölkt. Stefano erklärt mir die Geschichte der Brücke von Remagen, an der wir vorbei fahren. Wie unvorstellbar was damals am Kriegsende geschehen war, als die Allierten wenigstens diese Brücke von der deutschen Zerbombung schützen konnten um mit Sack und Pack über den Rhein zu gelangen.
Wir freuen uns ganz besonders auf die Durchfahrt in Köln. Aber was wir am Ende total unterschätzen ist der Zauber von Düsseldorf. Dort angekommen in perfekter Abendstimmung geniessen wir wie jeden Tag unseren Heck-Apero. Wir reden über schöne Schiffe und auch die moderneren Ausführungen, die wir nicht so mögen. Beim ‚Gurkenhobel‘, wie Hans das MS Berner Oberland auf dem Thunersee nennt, sollte man die Heckflagge besser entfernen. Der armselig eingesteckte Flaggenstock lasse die Fahne kaum schwingen im Wind. Stefano bestätigt das. Das sei bei der
Panta Rhei das selbe Mühsal.
Stefano und ich besuchen die Bar ganz oben im Fernseh-Turm. Atemberaubend bietet sich die Aussicht über die Stadt. Man kann angeblich bis nach Köln sehen wenn das Wetter perfekt ist, sagt mir am Folgetag der Taxifahrer. Von Ivo, dem Barman, erfahren wir dass die Stadt auf ca. 600000 Einwohner gewachsen ist. Und dass die Häuser, die mich am Hafen total irritiert haben, vom berühmten Architekten Frank O‘Gehry sind. Zurück im Hafen leuchten diese jetzt in purem Silber-Chrom-Glanz. Vor zwei Stunden sah es aus als wäre die Fassade der Häuser am abbröckeln. Das Licht das sich teilweise in der Spiegel-Fassade bricht verursachte mir eine massive optische Täuschung.

Wir holen Housi ab und spazieren in die Innenstadt. Die Stadt und der sich windende Rhein füllen uns mit beschwingter Stimmung und zauberhafter Energie. Nach einem Bier direkt am Rhein. essen wir an der Rhein-Promenade. Irgendwie besonders sympathisch in der heutigen Zeit: Man kann an der gesamten Rheinpromenade nur bar bezahlen.

Später nimmt Hans wieder das Thema Sextant auf. ‚Gsehsch d’Sunnä‘, sagt er, ‚ jetzt isch si genou 22 Minutä über der Kimm‘. ‚Chunt ane‘, sage ich, ‚es gaht no öppe 22 Minute bis zum Sunneuntergang‘. ‚Nei‘, sagt Hans, ‚ i meine dr Winkul‘.

Auf dem Rückweg bestaunen wir nochmals den Fernsehturm. Stefano fragt sich wie tief wohl gebohrt werden musste um diesen immensen Turm standfest zu verankern.

Zurück an Bord zeigt mir Housi noch den Mars am nächtlichen Himmel und erwähnt weitere Berechnungen. Auch wenn ich sie selbst nie anwenden kann, die wichtigste Formel bleibt mir in Erinnerung: 13 Sibetel mal Höchi dur Minute. :-)