Sleepbootdagen Zwartsluis (NL) - Mai 2018

Opduwer

Auf den Spuren der Schlepper

Für den nautisch interessierten Menschen haben die Niederlande viel zu bieten. Ein farbenfrohes Frühlingsfest auf dem Wasser setzt dem nautischen Treiben die Krone auf.
Von Stefano Butti

Ausgangspunkt Amsterdam
Ins Herzen von Amsterdam gelangt der moderne Reisende schnell. Rund ein Dutzend Flüge täglich ab der Schweiz nach Holland bringen hunderte Schweizer Touristen oder Geschäftsleute täglich in die niederländische Hauptstadt oder zumindest an den Flughafen derselben. Weiter geht es am einfachsten mit der Eisenbahn. Unser Reiseprogramm heisst zwei Tage Amsterdam, zwei Tage Zwartsluis und Zwolle in der Provinz Overijsel. Wir, das sind Carmen und Stefano, unser Ziel sind die „Sleppbootdagen“, das alljährliche Treffen der Schleppschiffe und auch der Grund für unsere Reise nach Holland.

Ausgeschaffte Schweizer Schiffe
Amsterdam muss ja nicht noch explizit beschrieben werden. Wer kennt sie nicht, die Tulpenstadt mit ihren Kanälen und Wohnschiffen, mit den schmalen Häusern aus dem 16. und 17. Jahrhundert, den Backsteingiebeln in Glockenform, den Vergnügungsvierteln und Trendläden, den tausenden von Fahrrädern und mindestens genau so vielen Touristen. Touristen wie wir. Jeder von uns zwei Schweizer Touristen hat sein eigenes Programm. Carmen geht shoppen und ins Joga, ich halte Ausschau nach dem Schwesterschiff von meinem „San Martino“. Das ehemalige Motorboot „Bayern“ des Motorbootbetriebs der Stadtwerke Konstanz gelangte vor knapp 20 Jahren nach Holland. Unter dem Namen „Griffioen“ befördert es nun kleine Gesellschaften durch Amsterdams Grachten. Die Holländer haben ja viele Schweizer Schiffe erworben. Das MS Rothorn vom Brienzersee heisst jetzt „Wapen van Amsterdam“, das ehemalige MS Halbinsel Au vom Zürichsee ist nun als „Peter De Grote“ in der niederländischen Hauptstadt unterwegs, um nur zwei Beispiele von vielen zu nennen. sein Büro und seinen Betrieb. Für den kommenden Morgen haben wir ein Auto gemietet und wollen Richtung Friesland.

Sleppbootdagen
Endlich geht es los Richtung Schleppertreffen, dieser Tag soll zu unserem persönlichen Highlight werden. Wir fahren aus der City raus, sind froh dass wir ein Auto mit Navi bestellt haben, und schlagen den Weg Richtung Norden ein. Die Fahrt geht vorbei an allerlei Arten von Windmühlen, vor allem moderne zur Stromproduktion. Wir fahren über Deiche und Brücken oder unter Kanälen hindurch. Holland ist ein Wasserland. Deshalb können die Holländer ja auch so gut Schiffe bauen, ihr Land ist selber wie ein Schiff, hat eine Bordwand drum herum und diverse Bilgen aus denen das Wasser wieder nach oben gepumpt werden muss, damit der grüne Boden nicht untergeht. Wir fahren durch Flevoland, zwei Polder, neues Land, dem Wasser abgerungen. Fahren weiter durch ehemalige Hafenstädchen, einst an der Zuiderzee, also an der Nordsee gelegen. Heute liegen sie am Ijsselmeer, am Süsswasser. Endlich gelangen wir nach Zwartsluis und somit zum Ziel unserer Reise: Sleppbootdagen 2018! Wir jubeln vor Freude: Schleppboote aller Formen und Grössen geben sich ein Stelldichein. Die kleinsten, die sogenannten „Opduwer“ messen ihre Kraft im Seilziehen. Die grossen Schlepper liegen am Ufer, alle festlich beflaggt. Das ganze Dorf wimmelt von tätowierten Männern und Frauen jeglichen Alters, ab und zu ziert eine schwarze Fettspur das tätowierte Ankermotiv auf dem Unterarm des Einen oder anderen Menschen. Hier sind sie die Stars, die Mechaniker, Motorenbauer und Schlepperkapitäne in ihren Arbeitsgewändern und erinnern an die Zeiten als noch nicht jedes Schiff eine mechanische Antriebsanlage hatte. Stolz werden die Motoren angefahren oder sogar vereinzelt ein Dampfschiff angefeuert bis der Schornstein schwarz qualmt. Ein Segler in weiss wäre hier fehl am Platz. Doch auch in Holland wird Umweltschutz gross geschrieben, es läuft alles perfekt organisiert ab. Wir geniessen das bunte Treiben und wünschen uns insgeheim auch Teil einer solchen Schiffsmannschaft zu sein.

Met een Opduwer op het zwarte Water
Es ist ein buntes Treiben zu Land und zu Wasser. Nicht nur die Schiffe mit ihren bunten Farben locken Zuschauer an. Auch an Land wimmelt es von Aktivitäten. Alte Maschinen werden laufen gelassen, teilweise sogar noch solche mit Glühkopfmotor, Wasserpumpen spritzen um die Wette, alte Traktoren und schön restaurierte Wohnwagen stehen schön präsentiert am Strassenrand neben diversen Verkaufsständen. Müde von den vielen Eindrücken und mittlerweile auch etwas hungrig setzen wir uns in einen Biergarten und bestellen etwas zu trinken und für den kleine Hunger ein Sandwich und eine Portion Bitterballen, diese fritierten, holländischen Fleischballen, aussen knusprig, innen siedend heiss. Neben uns setzt sich eine Familie hin, wir kommen mit Ihnen ins Gespräch und werden spontan zu einer Fahrt mit ihrem Opduwer eingeladen. Wir können unser Glück kaum fassen, nun werden wir also doch noch Teil einer Schleppboot-Crew, zumindest für kurze Zeit! Schnell wird bezahlt und zurück zum Hafen spaziert. Bernard und Anneke, so heissen unsere zwei Gastgeber zeigen uns ihren „Kleinen“. Schon Bald wird der Motor angedreht und die Leinen gelöst. Genüsslich tuckern wir durch die Menge, unter der Brücke hindurch von wo wir noch zwei Stunden früher auf das Treiben heruntergeschaut hatten. Mit einem waschechten Opduwer fahren wir mitten durch Zwartsluis an den Schleppbootdagen 2018, ach ist das Leben schön!

Zwolle
Doch auch der schönste Tag geht einmal zu Ende. Diese Nacht schlafen wir gut, träumen von bunten Farben und knatternden Motoren. Am nächsten Morgen reicht es gerade noch für einen kurzen Rundgang durch Zwolle. Bald schon müssen wir am Flughafen sein und mit vielen Eindrücken im Gepäck landen wir wieder in der Heimat. Doch eines wissen wir, die Schleppboote haben es uns definitiv angetan; Holland wir kommen wieder!







Stefano Butti, 03.06.18